Das Berater-Home-Office - ist Bindung im Team noch möglich?

Eine aktuelle Studie von bitkom[1] zeigt, dass fehlender persönlicher Austausch mit anderem Mitarbeiter*innen der am häufigsten genannten Nachteil am Home-Office ist. Mehr als 50% Prozent beklagen weniger Kontakt mit Kolleg*innen. Dabei gibt es doch virtuelle kollegiale Meetings, von Online-Escape-Room bis Netflix-Filmeabend – oder fehlt da was?

 

Wer mag sie nicht – die digitalen „Freizeit-Meetings“ mit dem gesamten Team?

 

Jetzt mal ehrlich: Selbst in der Beratung wollte man an vielen Stellen nicht immer mit allen aus dem Team und dem/der Chef*in seinen privaten Abend gestalten. Auf großen Projekten ging man mit den Kolleg*innen, die man mochte, auf einen Drink an die Hotelbar. Auf kleinen Projekten gab es dafür ab und an mal ein ausuferndes Teamevent. Auf schlechten Projekten hatte man eventuell abends doch etwas anderes vor.

 

Treffen folgten stets einem natürlichen Fluss, Gruppen und Gespräche entwickelten sich mal mit dem einen, mal mit der anderen, aber immer so wie es individuell gerade am besten passte. Der Rahmen war die Bar oder das Restaurant und sonst gab es keine Struktur.  

 

Virtuell gibt es nun auch viel Raum zur Gestaltung. Allerdings wird selten individualisiert. Wer fragt im digitalen Team-Meeting denn: So wer möchte sich mit wem unterhalten, damit ihr eine eigene Break-Out-Session bekommt? Da müsste man ja sagen mit wem man nicht sprechen möchte, was man früher geschickt umgehen konnte, indem man sich gezielt an den Tisch setzte. Dann lieber in der ganzen Gruppe den gemeinsamen Nenner finden. Das kann interessant sein und doch bleiben Gespräche öfter genau das: Ein gemeinsamer Nenner mit wenig Raum für individuelle Themen.

 

Dann doch lieber den Online-Escape-Room-Abend oder Netflix-Abend!

 

Der Vorteil konkreter Angebote ist Klarheit. Alle wissen was passieren wird und man kann sich frei entscheiden zu kommen oder auch nicht. Somit ist sichergestellt, dass nur die Kolleg*innen erscheinen, die auch wirklich Lust haben. Ist das so? Ein „Nein“ zu einem Online-Escape Room-Abend ist das nicht auch ein „Nein“ zum restlichen Team? Aber so ein „Nein“ ist doch nicht schwer! Wenn es das einzige Team-Event in diesen Monat ist eventuell aber doch ein Zeichen?

 

Der Netflix-Abend bietet einem endlich die Möglichkeit mit seinem Team auch das Kinoerlebnis zu Hause zu erleben. Beratung hat schon immer von der gesunden Mischung des Privaten und Beruflichen gelebt. Das schweißt Teams zusammen, entlastet bei der hohen Arbeitsbelastung und sorgt dafür füreinander einzustehen, wenn es brenzlig wird im Projekt. Schafft der Netflix-Abend diese Bindung im Team, wenn alle auf Ihren Laptops einen Film schauen, der bestenfalls im Konsens ausgesucht, schlimmstenfalls vorgegeben wurde? Ich denke nicht. Doch was fehlt?

 

Was man von der guten alten Kaffeepause und dem Office-Freitag lernen kann?

 

Plötzlich stand Sie auf im Open Office, kam zu mir und fragte mich: Hast du nicht Lust auf ne kurze Kaffeepause? Klar – gute Idee! Ich trank Tee statt Kaffee, erfuhr wer wieder gekündigt hatte und konnte mich auskotzen, wo der Kunde diese Woche einfach mal wieder unverschämt gewesen war und ich natürlich professionell bleiben musste. Als ich das erzählte, regte sie sich ebenfalls auf, ihr war etwas ähnliches diese Woche passiert. Wir lästerten, lachten am Ende und gingen zurück zur Arbeit.

 

Ging es um Kaffee und Pause? Oder eher Spontanität und Beziehungsgestaltung?

 

Ich kam wieder einmal Donnerstag nachts nach 45-50 Stunden von dem Projekt in der Walachei müde nach Hause. Dafür konnte ich Freitag aber auch erst um 9:00 Uhr im Office erscheinen. Eine Runde Small-Talk mit dem erstbesten Kollegen den ich eine Weile nicht gesehen hatte. Die Spesen der Woche erledigen. Noch einige E-Mails fertig machen. Das Mittagessen mit bekannten und neuen Kolleg*innen genießen, ohne den Druck eines Meetings danach zu haben. Sogar noch Zeit für einen Zigarette zu dritt. Noch ein paar letzte Slides bis 16:00 Uhr, den Laptop zuklappen und ab ins Wochenende!

 

Ging es um das Office und den Freitag? Oder eher um Zufallsbegegnungen und den Aufbau von Kontakten?

 

Der Unterschied liegt in dem Raum, der nicht vorgegeben wird

 

Beratung lebt von den Menschen als Humankapital. Und diese Menschen leben oft, mehr als man denken mag, von dem Zwischenmenschlichen. Denn was verbindet die Kolleg*innen, bzw. oftmals ja schon Freund*innen, miteinander? Das ist der Raum in dem sie Sorgen, Freude, Erfolg, Ärger und alle weiteren Gefühle teilen können. Durch dieses Mitteilen entsteht die Bindung, die Teams und Einzelne zur Leistung motiviert und anspornt.

 

Diese Räume lassen sich auch im Berater-Home-Office schaffen. Freizeit-Meetings im Team können stärker segmentiert werden, z.B. Chef*innen und Mitarbeiter*in in separate Break-Outs verteilen. Dadurch entsteht Raum für einen offenen und vertrauensvollen Austausch über ähnliche Themen und Bedürfnisse. Zufällige Meetings mit neuen Kolleg*innen zum rein informellen Austausch und Kennenlernen sind eine weitere Möglichkeit. Wenn auch Raum für Spontanität gegeben und genutzt wird, kann ein überraschender Telefon-Anruf bei einer befreundeten Kollegin viel ausmachen.

 

Wir sollten nicht vergessen: Auch Berater sind Menschen. Und Menschen haben das Bedürfnis sich individuell mitzuteilen. Ein Bedürfnis für das Räume geschaffen werden müssen. Besonders im Home-Office.

 

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