Das Berater-Home Office - Scheitern = Persönlicher Erfolg?

Heutzutage sollen wir alle schnell scheitern – „fails fast, fail forward“ kennt in der Startup-Branche jeder. Fehler werden frühzeitig erkannt und Produkte, Services somit schneller und zielgerichteter entwickelt. Als Berater*innen am Puls der Zeit, der immer schneller zu schlagen beginnt, sollte Scheitern also auch ein bekanntes und genutztes Konzept sein – oder doch nicht?

 

Wie fühlt sich Scheitern eigentlich an?

Scheitern.

Nur ein Wort und doch kann ich mich zumindest dem Gefühl nicht entziehen, dass sich das gar nicht gut anfühlt. Ehrlich gesagt: Es fühlt sich beschissen an. Dieses Gefühl etwas nicht zu können. Dieses Gefühl trotz das ich alles versuche es nicht zu schaffen. Dieses erdrückende Gefühl, dass ich einfach nicht gut genug bin, um diese Sache oder das Projekt in der gewünschten Zeit und Qualität zu den gewünschten Kosten hinzubekommen. Wohlgemerkt: Die Kosten habe ich bereits längst überschritten, wenn ich vor dem Scheitern stehe. Meine eigenen Kosten sind nämlich so hoch, dass mein Ressourcen-Konto schon eine Weile im Minus ist.

 

Die kleine Schwester von Scheitern: Fehler machen

Doch einen Schritt zurück. Nicht gleich das Burnout-Szenario an die Wand malen. Bevor wir scheitern, machen wir Fehler. Fehler gehören zum Leben dazu, werden akzeptiert und konstruktiv analysiert und ausgemerzt – pardon verbessert. Kann sein in der Beratung und doch erlebe ich häufig, dass eher ausgemerzt, anstatt wertschätzend akzeptiert und konstruktiv diskutiert wird. Dabei ist Fehlerkultur doch noch mehr in aller Munde als Scheitern!

 

Versetzen wir uns in die Berater*innen-Rolle: Das Projekt ist wichtig und zeitkritisch. Die Kundin zahlt hohe Tagessätze und erwartet dafür Qualität und Geschwindigkeit, quasi Höchstleistung. Mit Recht. Gute Berater*innen mit hohem Pflichtbewusstsein wollen Projekte vorantreiben und dafür Anerkennung bekommen. Lobenswert und menschlich. Dann passiert es: Die Zahl auf dem entscheidenden Slide im Steering Committee ist falsch aufgrund der Nachtschicht. Wie oft erlebt man von Kundin und Partner*in dann konstruktive Fehlerkultur und Verständnis für die Nachtschicht davor? Zugegeben bei dem Druck auf dem Projekt und allen Beteiligten auch nicht einfach. Überhaupt machbar?

 

Zurück zum großen Bruder: Scheitern

Natürlich endet Scheitern nicht immer im Burnout. Vorher holt man sich Unterstützung für die Hürde bei Kolleg*innen. Oder man gibt die ganze Aufgabe ab. Soweit die konstruktiven Lösungen, wenn sie funktionieren. Funktionieren sie nicht kann man es immer noch eine Weile allein versuchen. Falls zu viele Fehler passieren wird man halt vom Projekt genommen. Das kann man aber immer noch auf die schwierige Kundin schieben.

 

Alle Wege sind denkbar und gangbar und gleichzeitig nur ein Ausschnitt. Was Sie jeweils auszeichnet ist der unterschiedliche Umgang damit etwas nicht allein schaffen zu können. Solange einer der Wege funktioniert scheitert man nicht. Jedoch hinterlässt jeder der Wege im besten Falle das Gefühl: „Allein habe ich es nicht geschafft.“ Im schlechtesten Falle: „Was denken meine Chefin und meine Kollegen jetzt über mich? Gerade wo die leistungsstarken Kolleg*innen es ja auch schaffen?“

 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Geschwister „Scheitern“ und „Fehler machen“

Jeder von uns hat ein Bild im Kopf. Ein Bild davon was wir wissen, können und leisten müssen. Und damit auch was wir schaffen können und woran wir scheitern dürfen. Bei leistungsorientierten Menschen, wie Berater*innen das häufig sind, ist dieses Bild meistens etwas leistungsfähiger ausgeprägt. Leistungsfähiger als andere Menschen, aber oftmals auch leistungsfähiger als man selbst ist. Das ist die schmerzhafte Wahrheit.

 

Beim Fehler machen fällt es uns leichter einzugestehen, dass das Bild von uns selbst etwas abweicht von der Realität. Denn es kränkt nicht so sehr. Es kann mal passieren. Es ist nicht so schlimm. Wir lernen dazu. Beim Scheitern fühlt es sich an als wäre unser Bild von uns selbst sehr verzerrt gewesen. Ja fast schon so, als würde eine Glasdecke einstürzen und als würde ich in dem Scherbenregen stehen. Nackt.
Ich glaube kaum, dass wir alle das ganz schnell heute wollen.

 

Scheitern = persönlicher Erfolg ist also eine Phrase!

Wer noch nie richtig vor seinem eigenen Bild gescheitert ist, der kann Scheitern einfach mit persönlichem Erfolg gleichsetzen. Es macht Sinn und ohne zu wissen, wie es sich anfühlt, geht es auch recht leicht von den Lippen.

Trotzdem kann Scheitern zu persönlichem Erfolg führen. Von kleinen Adjustierungen des Selbstbildes und Erweiterung seiner Kompetenzen bis hin zu radikalen Veränderungen seines Selbstbildes. Beides bedarf jedoch immer Arbeit! Letzteres davor noch großen Mut vor sein reales eigenes Bild zu treten. Das ist weit schmerzhafter als Impulse von außen und braucht mehr Zeit.

 

Wir sollten nicht vergessen: Scheitern ist zuerst einmal nichts außer schmerzhaft! Wenn man es jedoch schafft die Scherben der Glasdecke vom Boden aufzulesen und in den Spiegel zu schauen, dann wird man nach einiger Zeit auch durch die eingestürzte Glasdecke schauen können in den neuen Raum dahinter.

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